(1) Zwei Liederbücher, ein Roman, dazu viele Veröffentlichungen in Sammelwerken  genügen meinem Ehrgeiz.














































(3) Ich auch.














































































So schön. Schön war die Zeit
(1)

"Der erste Satz", eingegeben in die Suchmaschine von Google am 7. Juni 2012, brachte ungefähr 12.300.000 Ergebnisse. Der erste Satz sei wichtig, las ich, in der Liebe, in der Litera­tur wie auch in einem Bewerbungsschreiben. Nun habe ich in meinem ganzen Leben kein einziges Bewerbungsschreiben verfasst oder gar abgeschickt, und ich bin sicher, dass dies auch für den Rest meines Lebens so bleiben wird. Dafür also brauche ich keinen ersten Satz. 

Und den entscheidenden ersten Satz in der Liebe habe ich selbst erfunden und mit Erfolg auch ausgespro­chen, und er lautet: Hej - kennen wir uns nicht irgendwoher? Inzwischen sind wir seit mehr als 30 Jahren zusammen. Es ist mir deshalb auch völlig egal, ob dieser Spruch auf Platz zwei der abgedroschensten Anmachsprüche rangiert (wie­der so ein Google-Ergebnis). Was kann ich dafür, dass mich so viele (und darunter auch so viele Idioten) plagiiert haben. 

Bleibt also noch die Bedeutung des ersten Satzes in der Lite­ratur. Der erste Satz eines Buches entscheidet, ob es gelesen oder wie­der weggelegt wird, erfahre ich. Schön. Aber ich habe gar nicht vor, ein weiteres Buch zu schreiben (1). Jeden Tag kommen so unend­lich viele neue Bücher auf den den ohnehin schon übervollen Markt, wahrscheinlich mehr als neue Leserinnen und Leser auf die Welt kommen. Wozu soll ich mir da die Gedanken machen, die Mühe und endlose Arbeit, mit dem Erfinden eines Romans zum Beispiel, dem Schreiben und vor allem dann mit der Suche nach einem Verlag, der mein Werk nach langem Zögern gnädig ak­zeptiert, nach tausend kleineren und größeren Änderungen, vom bleibend unbefriedigten Lektor erzwungen, dann auch in einer Auflage von tausenddreihundert Stück drucken lässt und wenn die sich nicht von selbst verkaufen, keinen müden Euro für Werbung aus­gibt und es, weil der Autor die geforderten fünf­zehntausend Euro Druckkostenzuschuss für eine weitere Auflage von 800 Stück nicht zahlen will, eiligst verramscht.

Andererseits schreibe ich ja gerne. Ich habe in meinem ganzen Leben geschrieben und es hat Spaß gemacht, vor allem mir sel­ber (und immer wieder auch anderen, wenn es in irgend einer Form veröffentlicht wurde). Das fing schon im Gymnasium an. Unser Deutschlehrer in der Unter- und Oberprima (2) unterschied sich von den übrigen Kolleginnen und Kollegen, die zumeist noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammten und ent­sprechende Auffassungen unerschütterlich bewahrt hatten, was die Form des Unterrichts betraf und überhaupt. Dieser Deutschlehrer gab uns für die Aufsätze neben den üblichen und vermutlich kultusministeriell vorgeschriebenen Themen („Wie beurteilen Sie das Verhalten der Jungfrau von Orleans in Schillers Drama?“) auch jedes Mal ein „Spielthema“ zur Wahl; Beispiel: „Die Plakatsäule“. Das reizte mich. Ich habe es genommen und für meine Ausarbeitung eine Eins bekom­men, ver­bunden mit dem Rat, ich solle es doch abtippen und einer Zei­tung oder Wochenschrift zur Veröffentlichung anbieten. Was ich auch tat. Veröffentlicht wurde das dann nicht, wie so vieles andere, aber so bin ich bis heute im Besitz des Textes und finde ihn immer noch ganz gelungen.

Was aber das Schreiben in diesen Zeiten des beginnenden 21. Jahrhunderts so anders macht als früher, das ist das, zu­mindest indirekt, hier schon mehrfach zitierte Internet. Die Träu­me von einer (sozialistischen) Weltrevolution, die manch ei­ner von uns(3) vor wenigen Jahrzehnten noch hatte, sind ja nun bekanntlich zerplatzt. Dafür hat diese andere, von vielen gar nicht als solche begriffene Revolution stattgefunden und die Welt so stark verändert wie zuvor nur zum Beispiel damals die Er­findung des Buchdrucks, richtig: die Erfindung des Compu­ters und die darauf folgende Entwicklung all dieser Programme dafür. Ohne einen „Rechner“ geht nichts mehr. Kein Flug zum Mond, keine zusammengeklaute Dissertation, kein schneller Beleidigungsaustausch per Email. Wenn heute der etwa 58jährige Inhaber eines Ferramen­ta-Ladens in den italienischen Marken den Preis für einen „Fischer“ (so heißen hier die Dinger, die bei uns Dübel ge­nannt werden) finden will, muss er mit bleibend angeekeltem Gesichtsausdruck an diesen blöden cremefarbenen Kasten da ge­hen, um nach minutenlangem Kampf mit der Tastatur des Key­boards und ruhelosem Gefummel mit der Maus schließlich die Antwort zu finden. Elektrische Schreibmaschinen, vor 40 Jah­ren Spitzenprodukte technischen Fortschritts – wie begeistert war ich damals von meiner neuen Kugelkopf-Maschine! - haben heute den Stellenwert von mittelalterlichen Streitäxten. Während wir zum Ostermarsch in den 60er Jahren mit Matrizen Flugblätter verfertigt haben, deren Lesbarkeit nach spätestens 128 Kopien am Ende war, informiert heutzutage ein Pharmazierstudent im 1. Semester seine 18.375 Friends im Facebook mit einem Klick darüber, dass seine Schmerzen in der Leistengegend seit gestern Abend praktisch verschwunden sind, wahrscheinlich dank Ecstasy oder Elvira. Im Internet finden wir auf alle Fragen eine Antwort. Außer auf die Frage, wie die Frage lautet, deren Antwort 42 ist. Ob die gelieferten Auskünfte richtig oder nachprüfbar falsch sind, interessiert allenfalls Haarspalter und Prinzipienreiter.

Revolutionär ist auch, dass die Geräte, die man zur Nutzung dieser neuen Techniken braucht, ständig billiger geworden und immer einfacher zu bedienen sind, so dass heute fast jede und jeder sich so ein Ding leisten und damit umgehen kann. Der Gedanke liegt nahe, es habe mit alledem auch ein Fortschritt stattgefunden in Richtung zu mehr Demokratie, mehr Gleichheit, mehr Freiheit und damit mehr Menschlichkeit. Dass dieser Gedanke falsch ist, muss nicht lange und umständlich erörtert und scharfsinnig bewiesen werden – ein kurzer Blick in eines der zahllosen Informationsmedien zu jedem beliebigen Zeitpunkt belegt das Gegenteil: die eben genannten Werte sind, weltweit übrigens und um es mit einem passend zeitgemäßen Ausdruck zu beschreiben – auf permanenter Talfahrt, sie erleben eine Baisse nach der anderen und hätten, wenn sie von Ratingagenturen bewertet würden, nur noch Ramschniveau. Und für sie gibt es auch keinen „Rettungsschirm“, mit immer neuen Milliarden Euro oder Dollars ausgestattet. Was es gibt, sind brave Demos idealistischer junger Menschen, empörte Statements schlecht gelaunter Professoren, ab und zu mal die genervte Predigt eines Bischofs. All das aber kein Wunder: auch diese neue Technologie unterliegt ja der Diktatur des Kapitals. (4)

Und das zeigt sich nicht zuletzt auch hier, wo ich selbst diese neuen Möglichkeiten nutze. Anders als bisher muss ich für mein Schreiben nicht die Form des privaten Tagebuchs wählen (wenn ich wie gesagt keine Lust habe, nach einem huldvoll gestimmten Verlag oder Rundfunkredakteur zu suchen). Ich kann – wie außer mir (derzeit, im Juni 2012) noch zwischen 6 und 170 Millionen (da schwanken die Angaben stark) anderer Schreibender – die Form nutzen, die inzwischen allgemein als Blog bezeichnet wird. Ob das, was ich da schreibe, dann von 50 oder 50 000 oder 5 Millionen gelesen wird, kriege ich nicht mit, und es kann mir auch am unteren Ende der Wirbelsäule vorbeigehen. Weil: eine der wichtigsten Möglichkeiten, die das Schreiben früher geboten und Autorinnen und Autoren motiviert hat, fällt hier weg – Geld verdienen kann ich nicht damit. Erst mal denkt keine Leserin und kein Leser daran, sowas wie ein Abo-Geld zu bezahlen für etwas, das so frei und kostenlos zu erhalten ist wie der Weltwetterbericht, die neuesten Sportresultate oder Gruppensexfilme aus Saudiarabien. Zum anderen würde natürlich auch keine Firma auf diesen meinen Seiten hier eine Werbung schalten, wenn die sich nicht nachweislich dadurch rentiert, dass eine Mindestzahl potentieller Kunden für das angepriesene Produkt dieses dann auch sieht und vor allem kauft.

Schwere Fron und harte Arbeit also? Und karger Lohn? Diese Beschreibung der allgemeinen Situation in der Bundesrepublik jener Jahre, in denen ich herangewachsen und herangereift bin, zwischen 1950 und 1960, diese unübertrefflich knappe und präzis-lyrische Formulierung in dem Millionen-Hit „Heimweh“ von Freddy Quinn, ging mir neulich nachts durch den Kopf. Nein: nicht durchgegangen ist das, wie so vieles andere, es ist drin geblieben, eingraviert sozusagen. Vor allem auch die beschwörend leise dazu gehauchten Worte des Backgroundchores „So schön... schön war die Zeit...“ (5)

Das war der Anfang. Ein Ende ist – für mich – noch nicht abzusehen. Und deshalb: bis zum nächsten Mal; oder mit den Worten meines derzeitigen Heimatlandes: Alla prossima!

30. Juni 2012























































(2) Das war 1957-58



















































































(4) Besonders empfehlenswert der regelmäßige Blick in die www.nachdenkseiten.de/ oder www.rationalgalerie.de/


































(5) Falls irgendjemand
tatsächlich dieses epochale
Werk deutschen
Musikschaffens nicht kennen
sollte - hier ist der Link:
www.youtube.com/
watch?v=GGNbFHO9O78