Endlich endlos

Kein Roman

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Die Fahrradkette oder der bleibend falsche Konjunktiv in der Polizeiarbeit

Was bisher geschah siehe Folge 2

Der Polizeibeamte - wir würden ihm gerne endlich eine Identität geben und das heißt seinen Namen nennen: Hellmuth Schoen, ja, wie der ehemalige Bundesfußballtrainer, nur mit th am Ende des Vornamens und oe in der Mitte des Nachnamens. Polizeiobermeister Schoen also braucht mehrere Minuten und 38 Sekunden, um sich von seinem Schock zu erholen. Sein Chef ein Pokerspieler! Einer, der regelmäßig um Geld pokert. Um sehr viel Geld. Sein Gegenüber, den er gerade vernimmt und der ihm diese Information vermittelt hat, wartet geduldig, schaut sich gelangweilt in der Amtsstube um, schüttelt den Kopf über ein paar überaus freizügige Fotos von Mädchen auf Motorrädern auf einem Kalender an der Wand.

Polizeiobermeister Schoen hat sich jetzt wieder unter Kontrolle. Über den Fortgang der Vernehmung des Verdächtigen gibt ein später erstelltes Protokoll Auskunft, welches inzwischen dem Hauptkommissar Erlacher vorliegt, der es soeben liest. Wir dürfen die folgenden Auszüge entnehmen:

Die Frage, ob Hauptkommissar Erlacher beim letzten Pokerabend am Vortag der hier untersuchten Tat gewonnen oder verloren hätte, antwortet der Vernommene, es hätte eine Verabredung unter den Mitglieder der Pokergruppe gegeben, wonach dies preiszugeben zu unterbleiben hätte, woran er, der Befragte, sich stets gehalten hätte. Deshalb hätte er auch die Antwort auf die Frage verweigert. Die scherzhaft gemeinte Frage von POM Schoen, ob dies wieder eine Fahrradkette sei, hätte der Verhörte empört zurückgewiesen und hätte betont, dass er niemals eine wie auch immer geartete Sympathie oder auch nur ein Verständnis gehabt hätte für einen dazu noch kläglich gescheiterten Ex-Kanzlerkandidaten, den unbegreiflicherweise auch noch die sich seit vielen Jahren im Sinkflug befindende SPD aufgestellt gehabt hätte. Er, der Vernommene, hätte diese Partei ohnehin seit mehr als 30 Jahren nicht mehr gewählt, da sie niemals zu ihren einstigen Zielen zurückgefunden hätte. Er, der Verhörte, hätte sich auch nicht beruhigen wollen, er hätte vielmehr angefangen zu schreien, hätte sich dann erhoben und hätte das Büro sowie die ganze Polizeiwache verlassen, woran ihn aus Angst vor möglichen Angriffen auf Leib oder gar Leben niemand, auch POM Schoen nicht, zu hindern gewagt hätte.

Nachdem Hauptkommissar Erlacher das Protokoll bis zu diesem Punkt gelesen hat, legt er es auf seinen Schreibtisch.

Das war alles? fragt er dann.

Ja, Chef. Das heißt, bei seinem Abgang aus meinem Büro hat dieser Hänger noch gesagt, nun hätte er genug, es reiche ihm, er hätte ja nicht ewig Zeit, mit solchem... solchem Dings, äh, Quatsch seine Zeit zu vertrödeln. Ja, Chef, so war das.

Und Sie? Und die Frau Protokollführerin? Wie haben Sie beide reagiert?

Wie gesagt, wir haben beide fassungslos und mit offenem Mund dagesessen und... und, nun, ganz fassungslos haben wir geschaut.

Das ist ja nicht zu fassen! Warum haben Sie denn nicht versucht, den Mann aufzuhalten? Und außerdem, Herr Kollege,: lassen Sie bitte diese unangebrachte Ausdrucksweise, ja? Ein Verdächtiger, der vernommen wird, ist deshalb noch kein Hänger. Er ist...

Aber... aber...

Nichts aber! Sie sagen bitteschön entweder "der Befragte" oder Sie nennen einfach seinen Namen. Verstanden?!!

Jawohl, Herr Hauptkommissar. Aber...

Sind Sie schwer von Begriff? Haben Sie nicht verstanden, was ich gesagt habe? Oder haben Sie nicht zugehört? Ich habe gesagt...

Aber ich habe doch seinen Namen genannt!

Was? Wie...?

Und ich dachte, Sie kennen ihn doch. Hat er jedenfalls behauptet.

Jetzt mal langsam, Herr Kollege. Wie war der Name? 

Hänger. Cliff Hänger.

Stille im Raum. Der Hauptkommissar Siegfried Erlacher erhebt sich hinter seinem Schreibtisch und geht zum Fenster. Schaut hinaus. Dann, nach einer Weile, sagt er leise:

Oh my God!

(Fortsetzung folgt)