(2) Abgeschafft erst 1969...






































So schön. Schön war die Zeit
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Die Nummer 2

Der ewige Zweite sei ich halt, hat meine Mutter oft mit anklagend resignierendem Unterton festgestellt. Sie bezog sich damit auf die Schulzeugnisse, die ich halbjährlich aus dem Gymnasium nach Hause brachte. Damals (1) gab es noch dieses Ranking, diese Forbes-Liste der Leistungen in den verschiedenen Fächern. Ahnungslos und ohne große Anstrengungen hatte ich in meinem ersten Attest den Vermerk mitbekommen: „2. von 36“. Meine Mutter hatte mich auf dieser „Höheren Schule“ - gar noch auf dem altehrwürdigen Humanistischen Gymnasium! - angemeldet, was mein Vater ganz selbstverständlich so bestimmt hatte, es ber nicht wie geplant selbst vornehmen konn te, weil er noch in französischer Kreigsgefangenschaft weilte. Meine Mutter war zeitlebens nicht aus ihrem noch immer sehr bäuerlich geprägten Vorort Heidelbergs hinausgeraten, hatte „bloß die Volksschul'“ besucht und schlaflose Nächte vor Angst, ich könnte „ihr Schande machen“, indem ich nicht mithalten konnte dort, wo „ja nur die allerbesten Schüler der ganzen Stadt“ versammelt waren. Umso heftiger dann der Umschwung nach diesem ersten Zeugnis. Von da an hatte sie den unbändigen Ehrgeiz, dass ich die Nummer Eins werde. Ich nicht.

Auf diesem Gebiet zumindest nicht. Auf einem anderen Gebiet schon. In jenen ersten Jahren nach dem Krieg – heute muss man der Klarheit gnauer sagen: nach dem Zweiten Weltkrieg – hatten die Deutschen noch keinen Sex. Wir hatten die Liebe; und die Unzucht. Unter andere um letztere zu ahnden, gab es auch noch die „Zuchthäuser“. (2)

Eine Sexual-Erziehung gab es nicht für mich, so wenig wie für die meisten meiner Altersgenossen jeden Geschlechtes. „Darüber“ wurde zu Hause nicht gesprochen, das war unanständig. Auf dem Gymnasium wurde irgendwann ein zusätzlicher, zweistündiger Unterricht eingeführt, dienstagnachmittags, nach Geschlechtern getrennt. Unserem dafür abkommandierten Religions(!)lehrer war die ganze Sache so peinlich, dass er fast die ganze Zeit mit rotem Kopf nur zum Fenster hinaus auf den damals noch ziemlich sauberen Meckar hinausblickte, während er irgendwas von Bienen und Blumen daherstotterte.

Zum Eigenstudium der Sache blieben uns nur die ziemlich veralteten und oft unvollständigen Konversationslexika. Oder mir zum Beispiel auch der „Lesezirkel“, eine Sammlung von „Illus“, die meine Eltern abonniert hatten; aus Kostengründen jenes Paket, das mit vier Wochen Verspätung geliefert wurde, von den Vor-Abonnenten schon ziemlich zerlesen und angeschmuddelt, die Kreuzworträtsel großenteils schon gelöst, oft ganz falsch, aber mit Kuli (!), zum immer neuen Ärger meines Onkels, der als Mitnutzer im Grunde an nichts anderem Interesse hatte, als diese Rätsel selbst zu lösen.

Mich hingegen interessierten und faszinierten jene Bilder und Texte, in denen es um „das Eine“ ging und was zunahm an Umfang und Freizügigkeit. Bis dann aber Oswalt Kolle in der NEUEN REVUE oder die QUICK seine revolutionäre Serie veröffentlichen konnte (3), vergingen viele Jahre und so war ich bereits so erwachsen und aufgeklärt, dass mir seine durchaus reizvollen Texte und Bilder nicht mehr viel brachten.

Immer noch aber – und damit zurück zum Anfang dieser Erinnerungen – hatte ich mich nicht völlig gelöst von dem tief ins männliche Bewusstsein jener frühen BRD-Jahre eingegrabenen Vorstellung, es sei ganz natürlich und normal, wie wichtig die Bejahung der Frage war, die man damals gegebenenfalls zu stellen pflegte: War ich der erste für dich?

Warum ich trotz alledem heute, im Rückblick, zu der Bewertung jener Zeiten komme, die seien „Schön. So schön“ gewesen, ist vielleicht nicht sofort und ganz leicht zu verstehen. Aber gemach, gemach (auch so eine süß antiquierte Formulierung, wie etwa der Beischlaf!): ich werde versuchen, so nach und nach das Verständnis dafür zu schaffen. So viel schon jetzt (und mag sein, das ist auch dem einen oder der anderen schon aufgegangen) – ich sage ja, dass diese Zeit schön WAR. Soll heißen, es ist wie alles auch dies hier relativ, also verglichen mit dem Heute. Zum Beispiel: verglichen mit dem, was Angela Merkel als Kanzlerin so macht, war Konrad Adenauer ein Radikal-Sozialist...



(1) 1949 ff.





































(3) Ende der 60er Jahre