(2) Zitat: "in der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden."










(3) Frei nach Carlo Levi "Cristo si é fermato a Eboli" (Christus kam nur bis Eboli)







So schön. Schön war die Zeit
(7)

Der Jesus von Schloss Rösberg

Wir User dieser immer noch ziemlich neumodischen Technik des Computertums wissen, dass es verdammt schwierig, wenn nicht gar überhaupt unmöglich ist, ein Programm endgültig und restlos von der Festplatte zu löschen. Es bleibt immer ein Rest von Dateien zurück. Das Gleiche gilt für alle von uns, die einst das, inzwischen ziemlich altmodische, Programm Christentum aufgespielt bekamen: Semper aliquid haeret - es bleibt immer was hängen.

Ich zum Beispiel finde in meinem Dokumenten-Ordner nicht nur den Taufschein und das Update mit Lizenz, damals noch Konfirmation genannt, sondern auch die Bescheinigung "Austritt aus einer Kirche, Religions- oder weltanschaulichen Gemeinschaft". Diese Deinstallation vom Programm Protestantismus habe ich im Jahr 1974 vorschriftsmäßig durchgeführt. Zuvor hatte ich jahrzehntelang, also während meines ganzen Lebens bis dato, erst emotional, dann auch rational mit dieser Technologie gearbeitet; um es präziser auszudrücken: mit der Bibel und dem Evangelium. Protestantische Theologie etwa hatte ich parallel zu meinem Jurastudium sogar eifrig studiert. Also nicht in der korrekten Form, mit Eintrag ins Studienbuch, Vorlesungsbesuch und Teilnahme an Übungen (etwa: "Dogmengeschichte und Eschatologie"). Dafür aber mit größerem Interesse als an den Rechten. Eben diese Beschäftigung aber hat mich immer weiter entfernt, nicht nur von der Institution Kirche und ihren merkwürdigen Ritualen, sondern auch von der Substanz und dem Wesen des Christentums insgesamt. Großen Anteil daran hatten Theologen wie Karl Barth, Rudolf Bultmann, Jürgen Moltmann oder auch Dietrich Bonhoeffer mit ihren Gedanken und Darlegungen über "Entmythologisierung" der Bibel oder zu "Theologie der Hoffnung". "Theologie der Befreiung" oder sogar "Theologie der Revolution". Hinzu kam meine gleichzeitige und zunehmende Politisierung und damit der schleichende Abschied von meinen früheren Überzeugungen. Ich wurde - und blieb das bis heute - Atheist. Von meinem früheren Leben her betrachtet eine teuflische Entwicklung.

Aber, wie gesagt: semper aliquid haeret. In mir hängen blieb zum Beispiel eine unauslöschliche Affinität zu den Verlierern; den Armen, Kranken, Ausgebeuteten, zutiefst Verachteten und gnadenlos Verfolgten. Und logischerweise eine Distanz zu den Erfolgstribunen; den Reichen, Mächtigen, Gesunden und höchst Geachteten, den gnadenlosen Verfolgern. Mit den Worten meines einstigen Idols: "Kommet her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid"; beziehungsweise: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt".

Diese meine Haltungen waren und blieben auch unübersehbar. Bei meinen neuen Freunden und Mitstreitern galt ich irgendwie als unverbesserlicher Idealist, wenn nicht gar als "Gutmensch" (1). Und in der engeren Gemeinschaft derer, die damals, Mitte der 90er Jahre, meine Nachbarn waren, in dem zur Wohnanlage mit 50 Appartements umgemodelten ehemaligen Jagdschloss unweit von Köln, zog ich mir ziemlich schnell die Bezeichnung "Jesus von Rösberg" zu. Ich akzeptierte das mit einer Mischung aus nachsichtiger Gelassenheit und gereiztem Unwillen. Einer der Gründe für meine Bekehrung zum Unchristentum war schließlich die Message gewesen, dass wir hier auf Erden weiterhin Not und Elend zu ertragen hätten und dass die Erlösung davon und die andauernde Seligkeit erst im Jenseits auf uns wartete (2). Ich dagegen war ja inzwischen zu der Überzeugung gelangt oder - von heute aus betrachtet, vielleicht zutreffender, weil vorsichtiger - zu dem Glauben, das Gegenteil träfe zu, mindestens  mit Bezug auf den ersten Teil dieser These. Und an der Verwirklichung einer von mir und anderen für möglich gehaltenen Weltverbesserung wollte ich mitwirken, mit meinen bescheidenen Möglichkeiten. Als Jurist wäre das vielleicht auch möglich gewesen. Aber ich erkannte schon früh, dass mir einige dafür unerlässliche Eigenschaften abgingen; zum Beispiel die nötige Chuzpe bei der Durchsetzung eigener Auffassungen und der damit verbundenen Verdammung und Verachtung gegenteiliger, oder auch nur abweichender, Einschätzungen.

Und so wurde ich das, was ich war; und zum Teil auch noch bin. Und wenn jemand dazu sagen würde, ich sei der (3) Christus, der nur bis Corinaldo kam - dai! (4) Die vorhin beschriebene Mischung meiner Reaktionen ist immer noch vorhanden, also der (heute etwas abgeschwächte) Unwille (ich sehe ja mehr und mehr die schwer zu überwindenden Schwierigkeiten bei der Weltverbesserung) und eine (sogar zunehmende) Gelassenheit.

Um es für diese Überlegungen hier zum letzten Mal mit einem - leicht abgewandelten - Satz aus der Zitatenkiste meines früheren Betriebssystems zu sagen, diesmal nicht aus dem Basisprogramm, sondern aus einer überarbeiteten Version aus dem Mittelalter: Auch wenn ich weiß, dass morgen die Welt untergeht (dank der ruinösen Art, mit der wir Menschen sie misshandeln), so werde ich doch heute noch die Früchte selbstgepflanzter Apfelbäumchen genießen...

Mitte Dezember 2012














































(1) Bezeichnenderweise ist dieser Begriff in der heutigen Gesellschaft ein Negativ-Urteil



















(4) Italienisch für
"na gut, na wenn schon, also echt" und dergl.