Ihr Fellow-Traveller bei der Reise durch die schöne neue Welt...

Anfragen, Anregungen, Kritik, Lob erreichen uns unter:
capo@der-transdemokrat.de

Und hier geht's zum Archiv

DER
TRANSDEMOKRAT
Nummer 88

"The French don't have a word for 'Entrepreneur'" 
George W. Bush 
(Isn't he wonderful!?)
 20. Februar 2004 
Ungeschützt - Unzensiert - Unzivilisiert
IMPRESSUM: 
Ersteller: 
Ekkes Frank * Hamburgerstr.2-4 * 50668 Köln * Tel. 0221-139 4801 
e-mail: ekkes@ekkes.de
Zur Homepage hier klicken: http://www.ekkes.de
DER TRANSDEMOKRAT erscheint unregelmässig. Unverlangt zugesandte e-mails oder sonstige Manuskripte sind nicht dagegen geschützt, im TRANSDEMOKRAT zitiert zu werden
Übernahme von TRANSDEMOKRAT oder von Teilen daraus zu nicht privaten Zwecken bedürfen der Genehmigung
Copyright für alle Beiträge: Ekkes Frank -
Der Bezug ist kostenlos. Wir bemühen uns um eine (zumindest Teil-)Finanzierung, z.B. durch Werbung. Wir sind dankbar für jeden Hinweis auf mögliche Inserenten.
Und natürlich auch für sonstige Unterstützung - am besten auf das
Spenden-Konto: SEB Köln, Nr. 22 5151 9500 - BLZ 37010111
Inhalt:
Oh (ein) Wunder!
Editorial: (Ver-)Wunderliches...
Der TransDemokrat als SPD-Berater - heute sehr verwundert...
The Global Play
Wunderschön! (Neue Einigkeit der lange zerstrittenen "Westmächte")
Aus der Welt der Talkshows
Drei SPD-Plakat-Entwürfe - und TransD wundert sich weiter
Die Garanten der Freiheit
Männer, welche (Hand-)Zeichen setzen...
Schnipsel
Schüler entschuldigt sich für Hasch-Kuchen / Beer erwägt Schwarz-Grün / Wein, der perfekt italienisch spricht / Defi Zitziel
Persönliche Anmerkungen
Notizen (7): Kein Wunder - Im Ufficio Immigrazione 
 Wenn jemand Bücher sucht oder CD's oder DVDs... In Partnerschaft mit Amazon.de...einfach anklicken!
Oh (ein) Wunder!!
Erstmals seit über 2000 Jahren!!!!!!!!!!!
Unbegreiflicherweise versteckt die Süddeutsche Zeitung diese Sensation - und dass es eine solche ist, muss auch der Redaktion im insoweit doch immer noch katholischen München aufgefallen sein - weit hinten im Bayernteil, anstatt auf Seite 1 damit groß aufzumachen. Dabei wäre dies doch wahrlich, ich sag es euch - die passende Antwort auf all diese albernen Klon-Experimente in Irland oder Korea. Statt aber lange rumzufaseln über fehlende "richtige Deckungsakte" oder "fehlende Schwanzstücke" an den Spermatozoen sollte man die Sache den seit Jahrhunderten bewährten Fachleuten zur Auslegung und Weiterverwertung anvertrauen; mit anderen Worten:
Woityla, übernehmen Sie!
Editorial

(Ver-)Wunderliches

Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen können sie geschehn!  Das war schon bekannt, lange bevor Katja Ebstein das gesungen hat, vor vielen, vielen Jahren, das Wunder daran ist allenfalls, dass sie mit diesem Lied einen Hit hatte, wo doch die Deutschen um diese Zeit herum schon längst wunder-voll waren: das Wunder von Bern hatte sich ebenso schon ereignet wie das Wunder von Lengede und das Wirtschaftswunder war auch noch nicht vorbei.
Heutzutage wartet man in Deutschland vergeblich auf neue Wunder. Da half es auch Helmut Kohl nicht, dass er versuchte, mit einem eigenen Lied (dem berühmten Song "Plühente Lantshafftn") wundermäßig zu punkten, und des Kleikaz Gerhard Schröders "Wir halbieren jetzt die Arbeitslosen" ging auch eher in die Hosen als in Erfüllung. Aber wen wundert das.
Der TansDemokrat lebt nunmehr in einem Lande, das für Wunder in ganz besonderer Weise geschaffen zu sein scheint. Da weinen Madonnenstatuen blutige Tränen, da bleiben Männer wie Berlusconi an der Regierung und der Papst am Leben - dies und vieles andere nur mit einem Wunder zu erklären.
All diese nächtlichen Überlegungen zusammen führten dann am Tage zu dem Entschluss, die 88. Ausgabe des TransDemokraten unter dieses Leitmotiv zu stellen (s.o.), und siehe da, es war gar nicht schwer: fast aller aus den allgemein zugänglichen Medien ausgewählte Stoff passte unschwer dazu. Vor allem, wenn man sich eine weitere Lehre aus dem eingangs zitierten Hit zu Herzen nimmt: Wunder gibt es immer wieder, wenn sie dir begegnen, musst du sie auch seh'n!

Mit weit geöffneten Augen grüßt
Der TransDemokrat
PS: Heute mit einem ganz speziellen und sehr berührten Dank für die ungewöhnlich vielen und positiven Reaktionen auf die neue Rubrik "Persönliche Anmerkungen"!

Neue Rubrik:
DER TRANSDEMOKRAT als SPD-Berater - heute sehr verwundert
Soo nicht - sondern natürlich wie bisher!!

Also, lieber Gerhard Schröder - das finden wir nun aber überhaupt nicht in Ordnung!!! Gerade waren wir doch so schön ins Geschäft gekommen, hatten schon 3 (drei!) gute Ratschläge an die ehrwürdige SPD vermitteln dürfen und dafür ein paar Aktentaschen voll Beraterhonorar - nun ja, darüber redet man in solchen Zusammenhängen ja nicht...

Jedenfalls: wir wollten gerade heute eine Kabinettsumbildung vorschlagen - und nun dieses!! Dazu noch in einem Medium, von dessen Nutzung als Mitteilungsorgan des Kleikaz an den TransDemokraten wir bisher nichts wussten: die Tageszeitung "junge Welt" (Ausgabe vom 12. Februar 2004). Wir können uns nur wundern, echt!!1

Im übrigen lassen wir uns nicht beirren: wir wissen, wie Beraterverträge abgeschlossen werden, welche Sicherheiten sie dem Berater bieten und wir wissen auch, dass Gerhard Schröder mal Rechtsanwalt war. Kurz: wir machen uns keine Sorgen, noch nicht einmal ernsthafte Gedanken, sondern einfach weiter mit unserer für die Partei so wertvollen und segensreichen Beratertätigkeit. Dabei wissen wir uns einig mit mindestens 72 (nach anderen Zählungen sogar 93) Mitgliedern der sogenannten Parteibasis und mit einem Mitglied des Parteipräsidiums (s.u.)


1Wenn sich irgendjemand wundert, dass DER TRANSDEMOKRAT in seinem Alter die "junge Welt" liest, ist das seine Sache. Wir kommentieren das nicht weiter.

Mal wieder ein Rat an die ehrwürdige SPD (der 4. von allen): Prima! Weiter so!

Die Rochade an der SPD-Spitze war einfach eine gute Entscheidung, welche Stabilität in die Partei bringt. Eine neue Stabilität entsteht nicht über Nacht. (...) Ich bin aber guter Dinge, dass wir innerhalb einer Woche wieder gut aufgestellt sein werden
Liebe Genussmenschen (so würde ich - um Optimismus zu vermitteln - in Zukunft die MitgliederInnen anreden), lasst euch nicht von der Beckmesserei in den Medien beirren! Denn: 
Inzwischen herrscht an der Basis eine große Erleichterung über Schröders Entscheidung und auch spürbare Hoffnung auf Besserung. Die einfachen Parteimitglieder wollen, dass jetzt wieder Ruhe und Sachlichkeit einkehren (anstelle von was sonst auch immer...) und eine erfolgreiche Politik betrieben wird - allerdings eine sozialere Politik, die den Menschen wieder in den Mittelpunkt stellt. (Äh... Zwischenfrage: was stand denn seither im Mittelpunkt??? Naja, schon gut...!) Es muss für die SPD darum gehen, einen guten Politikmix (sic!!) anzubieten, mit dem die Wirtschaft unterstützt wird, wo es notwendig ist, der aber vor allem wieder die sozialen Interessen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen ausreichend berücksichtigt.
Oder, um es ganz kurz und prägnant zu formulieren: immer weiter so, aber viel mehr verbale Nebelkerzen werfen! Dann wird die Partei bald nicht nur gut aufgestellt, sondern auch wieder gut aufgelegt sein, und die großen Politik-Mixer können ganz beruhigt in die nächsten Vorstands-Wahlen gehen!

(Der TransDemokrat gibt zu: diese wunderbaren Ratschläge sind nicht ganz allein auf seinem eigenen Mist gewachsen. Der kursiv gesetzte Mist stammt - bitte? Nein! Nicht von dem rechten Flügel der CSU, sondern von dem, was innerhalb der SPD inzwischen als "Parteilinke" gehandelt wird: aus einem Interview mit Andrea Nahles in "junge Welt", 11.2.2004) Natürlich geht der entsprechende Teil des Beraterhonorars an die Autorin - wir bitten um einen Termin- und Ortsvorschlag, wo wir uns dann übergeben können).

The Global Play
(früher: Außenpolitik)


Wunderschön!
Sie verstehen sich wieder. Wie einst im Kosovokrieg. Ein Jahr Trauerarbeit ist längst genug - jetzt geht das Leben weiter wie immer. Und wir wollen doch nicht nachtragend sein, wegen der kleinen Meinungsverschiedenheit, was den Irak-Krieg angeht. Gut, es gibt immer noch kleine Unterschiede...


...in den Auffassungen. Sooooooo groß etwa sehen die drei europäischen Muskel-Tiere ihre Bedeutung...

...und so sieht sie der ungewählte George W. 
Ach Gott, irgendwie wird man sich da schon einigen.
Wie immer eben.
Wunderbar!!

Aus der Welt der Talkshows
(früher: Aus Bund, Ländern und Gemeinden)
Es gibt weitere Gründe, sich zu wundern. Dem TransDemokraten wurden von interessierter Seite drei Plakatentwürfe für die kommenden Wahlen (wie alle wissen: 14 an der Zahl in diesem Jahr 2004!) zugespielt. Bei aller Begeisterung für die innovative Arbeit und kreative Umsetzung sozialdemokratischer Corporate Identity (ein Chapeau vor den KollegInnen Beratervertragsinhaberfirmen!) - es bleiben und nagen im TransDemokraten ein paar Fragen...
 
Im Grunde irgendwie ganz nachvollziehbar. Bloß: warum fehlt die weibliche Form - wo doch zugleich ganz offensichtlich eine Frau(enhand) ergriffen ist?  Die Ausschnittvergrößerung zeigt deutlich die roten Fingernägel.

Und: sieht es nicht so ein bisschen aus, als werde der gerade noch amtierende General-Scholz sich freudig nach links ziehen lassen? Das würde auch Gerhard Schröders eher abweisende Handbewegung erklären.

Also, Kampa: nochmal nachdenken! Zuviele mögliche Missverständnisse!

Das ist ja nun leider völlig daneben, Leute!!!

Erstens: trotz aller Verfremdung ist natürlich zu erkennen, wer da steht, nämlich der neue Vorsitzende Müntefering - warum habt ihr bloß den roten Schal nicht wegretuschiert?

Zweitens: wohin der Mann blickt, ist auch völlig klar - in den Abgrund. Glaubt ihr wirklich, das würden die WählerInnen nicht mitkriegen?

Am besten das ganze Plakat zurückziehen und neu nachdenken! 

Dieses Plakat dagegen überzeugt voll! Da ist alles ausgesagt, ohne aufdringlich zu wirken, die Verteilungskämpfe werden unterschwellig angesprochen und die Richtung gezeigt, in die es gehen soll und muss. Zugleich wird ironisch-kritisch ein Blick auf die Basis der SPD geworfen, deren aufgeregtes oder verzweifeltes Rumgehampele in auffallendem Kontrast steht zu der ruhig-klaren Führungsgewissheit, die der Kanzler in die dunkle Nacht hinausstrahlt.
Das reißt Wähler (und vor allem: Wählerinnen) mit und hin, das bringt auch Menschen mit eigentlich gar nicht so richtig sozialdemokratischen Überzeugungen zum Nachdenken und macht sie möglicherweise zu Wechselwählern.
Und: es zeigt auch der Wirtschaft, wie richtig es ist, auf diesen Mann zu setzen, der ihre (Zeichen-)Sprache spricht (vgl. dazu unten in "Garanten der Freiheit").

Kompliment! Das isses! Das musses! Das wirdes!

Die Garanten der Freiheit
(früher: Wirtschaft, Markt und Börse)
Männer, welche (Hand-)Zeichen setzen

Der Zeigefinger des Präsidenten: drohend...
Er zum Beispiel, jeder kennt ihn, is scho a Hundt! Am 17.2.04 stand in der SZ zu lesen:
Weniger für Arbeitslose1
Die Arbeitgeber haben weitere massive Einschnitte beim Arbeitslosengeld gefordert. Ziel sei es, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von sechs auf vier bis 4,5 Prozent zu senken, sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er schlug vor, bei Arbeitslosigkeit  eine Wartezeit von vier Wochen bis zur Zahlung des ersten Arbeitslosengeldes einzuführen. Das Arbeitslosengeld selber müsse auf 60 Prozent des letzten Nettoeinkommens reduziert und dürfe höchstens ein Jahr lang gezahlt werden.

1Notabene: Die Überschrift ist völlig klar - Hundt ist nicht FÜR WENIGER ARBEITSLOSE...
Die rechte Hand des Chefs: zupackend, festhaltend, nicht mehr los lassend, was einmal darinnen ist. Vor allem, wenn es sich um Gewinnmitnahmen, Abfindungen, Prämien und dergleichen mehr handelt; einfach beeindruckend... Bild aus der SZ mit folgender Unterschrift:
Mit guten Geschäftszahlen will Sanofi-Chef Jean-Francois Dehecq die Aktionäre beeindrucken.
Inzwischen (dank TransD84!) weltweit bekannt, der Mittelfinger des Herrn der Deutschen Bank, Josef Ackermann: hinreißend optimistisch, siegessicher vor jedem Gremium (und sei es auch so ein lächerliches Landgericht), von keinem Zweifel angekränkelt - so lieben wir unsere Führungsmänner, nicht zu Unrecht als "Wirtschaftskapitäne" bezeichnet, bei ihrer Fahrt durch das Globale Weltmehr...
Schnipsel 1 2 3
Schnipsel 4
Schüler entschuldigt sich für Hasch-Kuchen

Ein 19jähriger Abiturient hatte das Backwerk (mit 9 Gramm Marihu-
ana) vor die Tür des Lehrer-
zimmers seiner Schule gelegt. Zehn Lehrer waren nach Genuss mit Schwindel und Wahrneh-
mungsstörungen ins Krankenhaus gebracht worden. "Ich hielt es anfänglich für einen lustigen Streich", sagte der junge Mann.

TransD: Wir immer noch.
 

Beer erwägt Schwarz-Grün

Angelika Beer schließt nach der Wahl in Hamburg eine Koalition mit der CDU nicht aus.

TransD wundert das überhaupt nicht. Warum sollte ausgerechnet die weinende Madonna des Kosovokrieges die immer mehr fortschreitende Blaugelbisierung ihrer Partei nicht mittragen - nein: forcieren?
 

 

Und schon wieder ein Wunder aus Berlusconien:

Wein, der perfekt italienisch spricht
(Überschrift in der SZ)

TransD ist direkt ein bisschen neidisch - aber womöglich kann man durch fleißiges Trinken desselben dessen Eigenschaften in sich aufnehmen...?
 

 

Die deutsche Sprache entwickelt sich unaufhörlich weiter. Bitte nehmen Sie folgendes in Ihren Wortschatz auf:

Defi Zitziel

Wieso ist das kein deutsches Wort? Natürlich ist das ein deutsches Wort! Hier die Originalschlagzeile aus der ARD-Homepage:

Brüssel zweifelt am deutschen Defizitziel für 2005

   Persönliche Anmerkungen


Nicht nur ein neues Jahr steht an: ein neuer Lebensabschnitt. Italien - ein neues, noch weithin unbekanntes Land; ein neues Zuhause, neue Nachbarn. Nicht mehr als Besucher hier, als Tourist, nicht mehr die Unverbindlichkeit, nicht mehr das Bewusstsein, jederzeit zurückkehren zu können in eine vertraute, bekannte Lebensform. 
Herausforderung, selbstgewählt: sich einlassen auf radikale Veränderung. Neugier und Spannung, zugleich die alten Ängste. Ich bleibe ja, der ich war. Was und wie ich geworden bin, kann ich nicht ablegen. Ich habe mich mitgenommen hierher.
Herantasten an das Andere, es erfahren, erleben, verarbeiten, täglich neu der Versuch, es zu begreifen. Die kleinen Banalitäten ebenso wie die existenziellen Unterschiede. Eine Hilfe dabei: Reflexionen, Notizen, Berichte, Beobachtungen.
Notizen (7): Kein Wunder

Im Ufficio Immigrazione

Dezember 2003, Mittwoch. Geöffnet von 9 bis 12 Uhr. Schnell noch einen Caffè nebenan, dann rauf in den ersten Stock des Polizeigebäudes von Senigallia. Ein kleiner Flur, hässlichgelbe Resopalfließen, die Wände abgeschrappt. Fünf Türen, ein Schalterfenster mit Blick in das eine Büro. Drei billige Stühle, zwei besetzt von einem Paar, einer fetten kleinen Frau mit Kurzsichtigenbrille und beleidigtem Gesichtsausdruck, daneben ihr kleiner, dünner Mann mit Pepitahut. Beide bleich. Könnten aus Belgien kommen. Die anderen Besucher müssen stehen: drei junge, aufgemachte Osteuropäerinnen, jeweils in Begleitung von einem beschützend schauenden Italiener; ein riesiger Surinamese mit Rastafrisur; drei kleine ängstliche Indonesier. Und ich.
Als ich ankomme, ist ziemliche Hektik: einer der beiden Beamten nimmt die Anträge entgegen, Gedrängel, ich schaffe es, ihm mein Formular in die Hand zu drücken, er schaut mich an, will dann aber nur meinen Pass. Danach schließt er den Annahmevorgang, verschwindet trotz Protesten der nicht zum Zuge Gekommenen hoheitsvoll in seinem Raum. Es ist fünf Minuten nach 9 Uhr.
Warten.
Nichts passiert, nirgendwo.
Warten.
Ich stehe an die Wand gelehnt, neben einer offenen Tür zu einem anderen Büro. Dort sitzt ein älterer Beamter an seinem Schreibtisch, kämpft mit der Tastatur seines Computers.
Warten. Nach zwanzig Minuten wird einer der Indonesier aufgerufen, kurz danach der zweite. Ihn kann ich durch das Fenster vor dem Schreibtisch „meines“ Beamten sitzen sehen. Verschüchtert, devot.
Warten. Warten. Der Beamte verschwindet im nächsten Zimmer.
Neue Besucher erscheinen. Darunter solche, die offenbar schon mal da waren, sie drängeln sich zu der geschlossenen Tür des Büros, klopfen an, machen auf. Holen sich eine Auskunft – oder eine Abfuhr.
Der Beamte ist wieder zurückgekehrt, redet auf den Indonesier ein, schaut in seinem Rechner nach, gestikuliert. Zu hören ist nichts. Dann kommt sein Kollege aus dem anderen Büro, geht an mir vorbei in den offenen Raum, holt sich Papiere aus dem Faxgerät, kehrt zurück.
Warten.
Der ältere Beamte verzweifelt fast an seinem Computer, beruhigt sich immer wieder mit einer Zigarette. Hier im Flur große Schilder „Vietato Fumare“. Ich könnte gut eine rauchen, hab aber keine dabei.
Warten.
Es bildet sich eine Gemeinschaft. Der Rasta-Mann hat ein sonniges Gemüt, er scherzt auf italienisch mit einer der Osteuropäerinnen, es geht um die Langsamkeit von Bürokraten, verzweifelte Blicke zu Himmel begleiten entnervtes Stöhnen allerseits. Hilfloses Lachen.
Warten.
Der Rasta-Mann scherzt mit einer neu aufgetauchten kleinen Italienerin, schick gekleidet, weiße wattierte Jacke, dunkelbraune ausgestellte Jeans, die topmodisch pfeilspitzen Schuhe aus imitiertem Schlangenleder. Auch eine arabische Frau mit Kopftuch und kleinem Kind ist jetzt gekommen.
Warten.
Es ist zehn nach zehn.
Das Paar auf den beiden Stühlen wird unruhig. Der Mann steht auf, geht an das Schalterfenster, klopft, ruft hindurch, er habe um zehn ein appuntamento. Den Beamten an seinem Computer interessiert das überhaupt nicht, er tippt weiter. Trotzdem wird das Paar kurz darauf hineingerufen. Eine Viertelstunde später sind sie wieder draußen. Einen ihrer Stühle habe ich jetzt besetzt.
Warten.
Erleichterung, fast Begeisterung, wenn wieder ein Aufruf kommt. Dann wieder resignierte Geduld im Raum. Smalltalk, alles auf italienisch. Der kleine Indonesier ist nun auch fertig, er kommt geknickt heraus in den Flur, warum ist nicht ersichtlich. Er verneint ernsthaft-traurig die scherzhafte Frage des einen Begleititalieners, ob es mit seinen 45 Kindern zu tun habe. Dann geht er achselzuckend die Treppe hinunter.
Warten.
Um halb 11 muss der Beamte aufs Klo. Als er zurückkommt, winkt er gnädig die schicke Italienerin hinein. Die Wartenden dämpfen ihre Empörung über diese Bevorzugung mit der gegenseitigen Versicherung, sie habe sicherlich einen Termin gehabt.
Warten. Warten. Warten.
Manche gehen. Die Reihen lichten sich.
Warten.
Der Rasta-Mann wird aufgerufen. Er kann es auch mit dem Polizisten, ich sehe ihn durch das Schalterfenster, wie er wild gestikuliert, der Beamte lacht, immer wieder, scherzt zurück.
Warten.
Sieben Minuten nach 11. Ob ich heute überhaupt noch drankomme?
Warten. Kopfweh stellt sich ein.
Eine der Osteuropäerinnen darf rein, ihr Italiener geht mit. Durch das Schalterfenster sehe ich den Stapel der Pässe, mein roter ist der unterste, es sind noch mindestens fünf vor mir…
Plötzlich ist der Flur wieder voll. Jetzt ist auch ein Japaner dabei. 
Warten. Diese Zeitverschwendung! Immerhin – ich kann ja schreiben, das hier oder die Anfänge zu einem neuen Lied, das mir heute Nacht einfiel. Die anderen stehen nur rum. Draußen strahlt die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Ein Spaziergang am Meer müsste wunderschön sein, jetzt…
Warum dauert das so lange? Kann man das nicht beschleunigen? Kann ich nicht versuchen… Ein paar haben es versucht, auch Italiener, vergeblich. Einer hat es geschafft, ein älterer, gut gekleideter, eher vornehmer Herr mit weißem, gepflegt gestutztem Vollbart, elegantem braunem Wollmantel. Er ging einfach hinein. Kam nach ein paar Minuten wieder heraus, fröhlich lächelnd. Ich hab mich auch fein gemacht, weißes Hemd, Jackett, sogar Krawatte – trotzdem traue ich mich nicht…
Jetzt ist der Rasta-Mann fertig, er kommt heraus und geht, nach allen Seiten fröhlich grüßend und winkend.
Pause.
Es ist 11.23 Uhr – auf der großen Uhr, die ich im Zimmer des Beamten sehen kann. Auf meiner Uhr ist es 11.44 Uhr.
Warten.
Auf einmal scheint der Beamte es eilig zu haben. Er nimmt die restlichen Pässe, ruft auf, die beiden Osteueropäerinnen vor mir, dann in meine Richtung „il Tedesco“. Alle übrigen werden weggeschickt. Auch eine blendend aussehende, gut gekleidete Südamerikanerin, die durchs Fenster in fließendem Italienisch erklärt, sie brauche die Bestätigung auf ihrem Papier, um Arbeit zu bekommen, sie sei extra aus Fano angereist… Nichts zu machen: Freitag soll sie wiederkommen. Sie scheint wütend, als sie geht.
Warten. Zwanzig vor 12 (bei mir: 4 vor 12).
Ein vorbeikommender älterer Beamter in Zivil herrscht die Muslimin an, sie dürfe ihr Kind – zwei Jahre ist es vielleicht – nicht einfach auf den Treppen herumturnen lassen.
Der Rasta-Mann erscheint erneut – mit Fotokopien in der Hand. Wartet.
Durch den Flur eilen Beamte in die Mittagspause, von der Kirche auf dem Platz gegenüber scheppert eine Glocke High Noon.
Warten. Mein Beamter wird auch langsam ungeduldig, redet lauter, schneller, schreit fast.
Ich würde ja gehen, aber der Mensch hat meinen Pass. Ich kriege Hunger.
Um 12.20 Uhr Hektik – zwei Zivilbeamte holen alle ihre Kollegen, sie verschwinden die Treppe hoch: Konferenz…
Warten.
Apathie. 
Gottergebenheit.
Um 12.45 ist die Konferenz zu Ende, es geht weiter.
Ich bin um 13.16 Uhr dran. Jetzt geht plötzlich alles ganz schnell. Pass, die vier Automatenfotos, der Kontoauszug, die Krankenkassen-Karte, alles in zweifacher Kopie von mir mitgebracht. Sehr schön. Aber es fehlt dann doch was: zwei Kopien des Kaufvertrages von meinem Haus. Nein, er kann die nicht machen. Ich muss wiederkommen. Am Samstag. Doch, da hat er Dienst, ich soll einfach reinkommen.
Ich gehe, entnervt.
Am Samstag dauert es dann nur zwei Minuten. Der Beamte ist in bester Laune, zeigt mir stolz einen Mercedesstern, woher er ihn hat, wird nicht klar. 
In einem Monat soll mein Bescheid kommen – der Permesso di Soggiorno.
Ich warte.
Inzwischen war ich drei Mal dort. Nein, noch nicht dabei, der Bescheid. Wiederkommen. Am besten in vierzehn Tagen. Und noch mal vierzehn Tage. 
Wunder – das kenne ich von der deutschen Bürokratie – dauern eben etwas länger.