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DER
TRANSDEMOKRAT
Nummer 90

"Er war ein Arschloch, auf sie zu hören"
(Hugo Chavez, Staatschef von Venezuela, über George W. Bush, weil er seinen imperialistischen Beratern folgend 2002 einen Putschversuch in Venezuela unterstützt habe; Bush hatt wie üblich die richtige Antwort parat:)
"Ich habe in der Vergangenheit gute Entscheidungen getroffen. Ich habe in der Zukunft gute Entscheidungen getroffen." 
 7. März 2004 
Ungeschützt - Unzensiert - Unzivilisiert
IMPRESSUM: 
Ersteller: 
Ekkes Frank * Hamburgerstr.2-4 * 50668 Köln * Tel. 0221-139 4801 
e-mail: ekkes@ekkes.de
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Inhalt:
Editorial: Deutsch zu sein bedarf es wenig...
The Global Play
Der Oberdeutsche auf internationalem Parkett...
Aus der Welt der Talkshows
Helmut! Helmut! / ARD-Werbeplakat von TransD
Die Garanten der Freiheit
Hundt's Tage im Winter
Schnipsel
BVerfG stoppt Lauschangriff / Stimmung im Osten auf dem Tiefpunkt / Zitat des Tages 1: Andrea Nahles / Zitat des Tages 2: Struck, BuWe in aller Welt
Persönliche Anmerkungen 
Notizen (9): Ein Deutscher zu sein 
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Editorial

Deutsch zu sein bedarf es wenig...

Diesen Satz habe ich zum ersten Mal 1968 geschrieben, in meiner "Sprech-Sinfonie" für unser Münchener Studentenkabarett "Die Stichlinge". 1998 hab ich das dann zum Titel meines aktuellen Bühnenprogramms gemacht (notabene: die CD ALLES NETTE LEUTE mit den Songs daraus gibt es immer noch zu beziehen, am besten direkt über mich...). Dass zwei Jahre später Barbara Thalheim auf den gleichen Satz als Titel für ihr Programm kam, ist purer Zufall gewesen, wir haben uns über die Verwendungsmöglichkeit verständigt.
"Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu übertreiben". Von wem das stammt, weiß ich nicht, aber es ist ein Spruch, der mir in diesem Zusammenhang besonders gut gefallen hat. Für diese 90. Ausgabe des "TransDemokraten" bin ich auf unterschiedliche Weise immer wieder mit dem Deutschsein aneinandergeraten, es ist so etwas wie ein Generalthema geworden - Schröder als der Oberdeutsche mit seinen Auftritten auf der Welt- und der Europa-Bühne; Helmut Kohl, sein Vorgänger und Nachtarocker, der allen deutschen Geschichtsklitterern die Wahrheit auf über 600 Seiten um die Ohren haut; das 1. Deutsche fernsehen, das immer öfter einfach das Letzte bringt; und die Notizen schließlich auch.

Deutsch zu sein bedarf es weiterhin wenig, Bohlen, Becker und Beckstein sind nur drei von Tausenden von Beweisen. Deutsch zu reden oder zu schreiben - das ist schon etwas anderes. "Je einfacher denken ist eine gnädige Gabe Gottes", hat Konrad Adenauer gesagt (wahrscheinlich sagte er "issene jnädije Jabe Jottes". Die Pisa-Studie hat vor ein paar Jahren eine Schockwelle durchs Land rollen lassen. Und die Auswirkungen der Entwicklung in den letzten Jahren kriegen wir inzwischen alle zu spüren: dass irgend etwas "Sinn macht" wird inzwischen so selbstverständlich dahingeblablat wie dieser idiotische Konjunktiv-Puffer "Ich würde sagen..." vor dem sofort folgenden Indikativsatz, der alles wieder aufhebt.

Hier noch zwei kleine Beispiele, ohne Veränderungen kopiert aus e-mails der letzten Woche an mich. Falls einer der Autoren oder Autorinnen dies hier zu lesen bekommt und nicht versteht, was ich daran herumzumäkeln habe - ich habe die entsprechenden Stellen unterstrichen...
 
Meine Bank teilt mir mit:

Thema:    RE: Fw: VISA Card 

Hallo Herr Frank,
endschuldigung vorab für die verspätete Meldung.
- Der Mindestumsatz für die gebührenfreie Führung der VISAcard sind 750 Euro im Jahr.
- Zahlungen werden per VISA generell nur mit Unterschrift vorgenommen. Der Einsatz der Geheimzahl ist meißt nur bei Bargeldabhebeungen am Geldautomaten nötig. Sollten Sie diese doch wiedererwartend benötigen, bestelle ich Ihnen gerne eine Ersatzgeheimzahl.

Ich wünsche viel Spaß beim Einsatz Ihrer Karte.

Mit freundlichen Grüßen
 

Eine blitzartige Reaktion der T-Online-Hotline: schon nach kaum mehr als dreieinhalb Wochen, einer ausführlichen Antwort meinerseits auf eine Mail mit Fragen erhalte ich diese unendlich lange Auskunft auf Fragen, die ich überhaupt nicht gestellt habe...


Sehr geehrter Herr Frank!

Leider haben wir von Ihnen immer noch keine genauen Angaben erhalten und wissen nicht, z.B. mit welchem Programm, Sie arbeitet.

Untenstehend Angaben zur Sicherung von T-Online eMail Software 5.x.  und Outlook.
....
....

Gefragt hatte ich nach möglichen Lösungen bei Problemen mit Webmail, meine - mitgeteilten - Programme sind T-Online E-Mail 4 und Windows 98 SE...
 
 

Oh ja, ich habe viel Spaß gehabt und hoffe, die Leserinnen und Leser haben diesen irgendwie auch:
Der TransDemokrat

The Global Play
(früher: Außenpolitik)

Der Oberdeutsche auf internationalem Parkett...

Wie geschickt der Kleikaz es verstand, bei seinem Besuch in den USA den immer noch ungewählten Präsidenten George W.  Bush dazu zu bringen, den Deutschen nicht nur ihre Feigheit vor dem Feind im Irak zu verzeihen, sondern ihrem Regierungschef eine neue, passende Aufgabe für Einsätze zuzuweisen - überall dort, wo die Weltmacht Nr. 1 vorher tätig wurde und ihre Ziele nicht so ganz richtig erreicht hat.
...und hier dann die Reaktion der alten Europäer, als Gerhard Schröder nach seiner Rückkehr allen davon erzählte.
Aus der Welt der Talkshows
(früher: Aus Bund, Ländern und Gemeinden)

Helmut! Helmut!
Als dieses Bild und der entsprechende Bericht in der Zeitung erschien, wurde es uns plötzlich schlagartig klar, was uns in den letzten Jahren so ganz arg gefehlt hatte - ER! 

Helmut Kohl, der berühmteste Blackout in der einzig wahren BRD (also der zwischen 1949 und 1990), der Entdecker der postprogressiven Wahrnehmungstautologie ("Die Wirklichkeit ist anders als die Realität"), der Analprophet ("Entscheidend ist, was hinten dabei rauskommt!"), der Chancy Gaertner mit der Wiedervereinigungslyrik ("Blühende Landschaften im Osten", der Juliane-Weberknecht, der Mann, der die Spendenhosen voll hatte wie keiner vor oder nach ihm - es gibt ihn noch!

Ach, wie hatte er doch Recht, wenn er sich über die "Sozen" echauffierte! Wie treu hielt und hält er zu denen, die ihn bezahlt haben! Ein Kirch-Gänger, die politische Walz vun der Palz, der Ulbircht des Westens, was die Regierungszeit angeht -

wir schämen uns nicht, uns für manch früheres Schmähwort an seine Adresse zu schämen. Und, in Abwandlung eines Liedes, das an einen seiner Vorvorgänger adressiert war, trotz des Wissens um die Vergeblichkeit des Wunsches zu singen:

Wir wollen unsern guten alten Helmut wieder ham...

(und wenn dann auch noch Klaus Kinkel wieder Außenminister wäre - ach, dann wäre das transdemokratische Glück vollkommen. Hallelujah!)

Der Transdemokrat ist sich der Fragilität seiner Existenz als SPD-Berater (s.u.) natürlich stets bewusst. Wie schnell kann man da weg sein von den Fleischtöpfen, welche die Politmetzger à la Schröder oder Clement so reichlich und stets aufs Neue füllen!

Hier deswegen  ein Angebot, mit dem wir unsere Fühler ausstrecken hin zu der bleibenden Macht im Lande - dem Fernsehen.

Dem dümmlichen und etwas bemühten Werbefeldzug unter dem Motto "Mit dem Zweiten sieht man besser" gilt es - unserer Auffassung nach - eine munter-aggressive, lustige und überzeugende Alternative entgegenzusetzen - voilà!

Die Garanten der Freiheit
(früher: Wirtschaft, Markt und Börse)
Hundt's Tage im Winter

 
Der Hundt hat schon wieder angeschlagen, er erweist sich mehr und mehr als ein wirklicher Wach-Hundt. Allerdings wirkt sein unablässiges Gebell irgendwo auch wieder ein bisschen ermüdend. Vermutlich wird er erst dann Ruhe geben, wenn gesetzlich festgelegt ist, dass die Arbeitslosen vom ersten Tag an 80 % ihrer (auf den Höchstbetrag von 421 Euro1 gekürzten Unterstützung direkt an den Fond zur Rettung unverschuldet in Konkurs geratener Konzerne zu überweisen haben.

Der TransDemokrat findet, man sollte das unterstützen. Es ist einfach so wunderschön und wohltuend, wenn es völlig ruhig ist im Land!



1pro Jahr, natürlich!
DER TRANSDEMOKRAT als SPD-Berater
Wieder einmal müssen wir uns wundern - über die Formulierung in nebenstehendem Artikel. Wieso ist es denn ein Skandal, wenn die Berater den Auftrag behalten wollen???? Wir wollen das auch!!!
Und gegen alle Anfeindungen setzen wir unbeirrt unsere durchdachten und nach vorn weisenden Vor-, Rat- und Nachschläge. Wenn sich die SPD daran nicht hält, ist sie einfach selber schuld. 

Mal wieder ein Rat an die ehrwürdige SPD (der 5. von allen):

Weil das vermutlich weder Gerhard Schröder, der Noch-Vorsitzende, noch Müntefering, der Dann-Vorsitzende, tun, haben wir auch das für sie übernommen: die unbestechlichen und überzeugenden Aussagen des Tarot abzurufen. Für die SPD erschien - da glaube noch einer an Zufall! - "der Narr", und das heißt: 

Leben Sie heute ganz bewusst im "Hier und Jetzt" und genießen Sie diesen Zustand. 
Einer der Weisen im Tarot - und nicht nur dort - ist der Narr.
Der Narr entzieht sich jeder Beurteilung, deshalb ist ihm die Zahl "0" zugeordnet. Das Urteil anderer kümmert ihn nicht, und es sollte auch Sie nicht kümmern. Niemand kann Sie beurteilen, oder hat das Recht Sie zu bewerten.
...
Als Beziehungskarte (das geht in diesem Fall natürlich um die Beziehung zum Wähler bzw. besonders auch zur Wählerin!): Die Karte zeigt Ihnen, dass es nur das Hier und Jetzt gibt, alles andere sind Illusionen, geboren aus Angst oder Gier. Und wenn das schon so ist, dann können Sie es auch genießen.
...
Ihr Unbewusstes sagt Ihnen mit dieser Karte: Genieße das Jetzt, den "Ist Zustand". Freue dich an dem was du bis jetzt erreicht hast (z.B. stolze 30 % in Hamburg!). Warum daran denken, was daraus werden kann (z.B. das Scheitern an der 5-%-Hürde), das ergibt sich von alleine.
...
Die Vergangenheit ist vorüber und die Zukunft kommt von alleine, sie ergibt sich aus dem Jetzt. Denn im Jetzt gestalten sie ihr Morgen. Das Morgen ist das Ergebnis ihrer heutigen Gedanken und Handlungen. 

Also wenn das nicht ein Super-Rat ist, liebe Genostalogiker von der Parteispitze, dann weiß ich auch nicht.



Am fälligen Honorar und dem bereits signalisierten Übergabetermin und - ort ändert sich natürlich nichts!

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
Schnipsel 1 2 3
Schnipsel 4
Der große Lauschangriff verletzt in seiner geltenden Form die Menschenwürde und ist deshalb im Wesentlichen verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden. 

TransD (erschrocken): Oh Gott - wenn das der Otto Schily erfährt...!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

Stimmung im Osten auf dem Tiefpunkt

Die Stimmung der Ostdeutschen hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Das meldet der Sozialreport 2004.

TransD: Mein Gott, was können die Wessis dafür, dass ihr da drüben bloß Figuren wie Stolpe, Merkel oder Milbradt als Stimmungskanonen habt? Außerdem: Jetzt rächt sich, dass man nach 1990 nicht sofort (wie von uns vorgeschlagen) den rheinischen Karneval flächendeckend in den neuen Bundesländern eingeführt hat! Ein Vogel und ein Biedenkopf reichen einfach nicht!!!
 

 

TransD gratuliert: Andrea, es wird immer deutlicher - du hast das Zeug zur Kanzlerin! Weiter so!!
 
 
 
 

 

TransD meint sich erinnern zu können - gab es da nicht mal ein Lied, irgendwie so wie "Heute  (ge)hört uns Deutschland, und morgen..." Wann war das? gestern?

   Persönliche Anmerkungen


Nicht nur ein neues Jahr steht an: ein neuer Lebensabschnitt. Italien - ein neues, noch weithin unbekanntes Land; ein neues Zuhause, neue Nachbarn. Nicht mehr als Besucher hier, als Tourist, nicht mehr die Unverbindlichkeit, nicht mehr das Bewusstsein, jederzeit zurückkehren zu können in eine vertraute, bekannte Lebensform. 
Herausforderung, selbstgewählt: sich einlassen auf radikale Veränderung. Neugier und Spannung, zugleich die alten Ängste. Ich bleibe ja, der ich war. Was und wie ich geworden bin, kann ich nicht ablegen. Ich habe mich mitgenommen hierher.
Herantasten an das Andere, es erfahren, erleben, verarbeiten, täglich neu der Versuch, es zu begreifen. Die kleinen Banalitäten ebenso wie die existenziellen Unterschiede. Eine Hilfe dabei: Reflexionen, Notizen, Berichte, Beobachtungen.
Notizen (9): Ein Deutscher zu sein… (1)

Stolz darauf, ein Deutscher zu sein – das war ich nie. Ich hab auch nie verstanden, wie das jemand von sich sagen konnte. Kommt mir so einleuchtend vor wie: ich bin stolz darauf, ein Mann zu sein. Ich war und bin Deutscher, klar. Aber das war mir oftmals eher peinlich, manchmal habe ich mich dafür geschämt.
Oh doch: ich finde vieles ganz schön in dem Land, das vor sechseinhalb Jahrzehnten zufällig mein Heimatland wurde. Dass ein Lied, in dem ich diese Gefühle und Beobachtungen zum Ausdruck bringen wollte, trotz langer Arbeit daran nichts ge-worden ist, liegt eher an meiner Unfähigkeit, die Klippen von Kitsch, Sentimentalität und Trivialität zu umschiffen, sprachlich gesehen.
Jetzt also in Italien, auf der Suche nach einer neuen Heimat, und ich erlebe auch in dieser Frage manches anders. Ich kaufe zum Beispiel bei LIDL ein, diesem so deutschen, ja noch heftiger: schwäbischen Discounter mit – laut Homepage – eigener „Philosophie“ (ob einer der Vorväter womöglich in dem gleichen Stift in Tübingen erzogen wurde wie Hegel, Fichte und Schelling…?). Wie auch immer: erstens gibt es hier Dinge, die es sonst nirgends gibt (z.B. vernünftige Haushaltskerzen wie gesagt) und zweitens ist der Laden wirklich billig. Mit zwei vollen Plastiktüten – aber scusi! In Jutesäckchen werde ich doch meinen Müll nicht sammeln, um ihn dann in die überall am Straßenrand wartenden Container zu werfen! – komme ich an diesem Samstag aus der Filiale in Senigallia. Als ich mit dem Auto losfahre, ein kurzer Schock: da spricht einer deutsch, im Radio! Wieso, was ist, ich hab doch RaiTre fest eingestellt!? Mit ruhiger, sonorer Stimme erzählt er etwas von Hoffnung und Bloch und… da kommt schon die voice-over, auf italienisch. Eine Frau im Gespräch mit Professor Jürgen Moltmann. Erinnerungen, weit zurück in die sechziger Jahre, München, neben dem Jurastudium meine intensive Beschäftigung mit protestantischer Theologie, Karl Barth, Bonhoeffer, Bultmann; und eben auch: Moltmann. Ein Mann ohne Berührungsängste, der sich auseinandersetzte mit Männern wie Ernst Bloch, auch Tübingen, einem, der damals in diesen (auch so sehr deutschen) MacCarthy-Jahren nicht nur CSU-Leuten vom Kaliber eines heutigen Michael Glos als Stalinist galt, obwohl – oder womöglich: weil – er auch in den Goldenen Westen geflohen nicht aufhören wollte, rot zu sehen.
Und dieser Jürgen Moltmann, längst aus meinem Blick verschwunden, spricht nun hier auf RaiTre. Bekommt Gelegenheit, ausführlich seine Gedanken, seine „Theologie der Hoffnung“ (eine christliche Antwort auf Blochs „Prinzip Hoffnung“) zu erläutern. Unbedrängt kann er darlegen, wie er seine Ideen weiter wirken sieht, neue Hoffnungen setzt, in attac zum  Beispiel, Zweifel hat an der Behauptung, es gebe zu der aktuellen Form der Globalisierung keine Alternative. 
Ein gutes Gespräch, kluge Nachfragen. Ein vernünftiger Deutscher, gewürdigt, nicht unkritisch bejubelt, im italienischen Radio. (In welchem deutschen Sender wäre das in dieser Art und um diese Tageszeit möglich?) Und er ist nicht der einzige, nicht der erste, von dem ich das mitbekomme. Auf dieser Welle habe ich reden gehört über Kurt Weill und Bert Brecht, über Karl Marx und Willy Brandt, über Nietzsche und Kant. Es wird auch viel deutsche Musik gespielt, Lieder zum Beispiel, nicht von Bohlen oder Black, auch nicht Lindenberg oder Grönemeyer – aber Bach, Schumann, Schubert. Und Wagner. (Am 6. März habe ich zum ersten Mal einen deutschen Schlager im Radio gehört – und das war ein österreichischer: Drah di ned um, der Kommissar geht um…)
Dann ist das Gespräch mit Jürgen Moltmann zu Ende, ich bin zu Hause angelangt. Nein, ich bin immer noch nicht stolz, ein Deutscher zu sein, wieso auch? Aber ich sehe, dass ich mich auch nicht immer bloß schämen muss, deswegen. Und: auch auf diesem Gebiet mache ich neue Erfahrungen. Ich bin hier als… ja, als was eigentlich? Als Tourist natürlich nicht, nicht mehr. Als Gast? Eigentlich auch nicht, ich will ja hier bleiben. Ich suche kein Asyl, keine Arbeit und erobern will ich dieses Land schon gleich gar nicht (was meine Vorfahren über die Jahrhunderte hinweg immer mal wieder versucht haben – das „heilige römische Reich“ trug ja den schmückenden Zusatz „deutscher Nation“…). Aber Italiener werden will ich auch nicht - - -
Ich bin ein Fremder hier, noch eine ganze Zeit lang vermutlich. Nicht nur durch die Sprache. Die Menschen hier sind freundlich, offen, herzlich – aber wirkliche Freundschaften zu schließen, das sei schwer hier, höre ich. Es wird Anlässe geben, mich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Deshalb der Zusatz (1) oben in der Überschrift „Ein Deutscher zu sein“. 



PS: Auch die Geschichte in der nächsten Ausgabe beschäftigt sich mit dieser Problematik (Deutsche in Italien). Der Titel: Die Sache mit den zwei Geschwindigkeiten...